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Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens

Aus ADHSpedia
Hyperkinetische Störung mit Störung des Sozialverhaltens. Psychosoziale Risikofaktoren tragen oft zur Störungsentstehung bei.

Die Hyperkinetische Störung mit Störung des Sozialverhaltens ist in der ICD-10 unter F90.1 als Unterform der hyperkinetischen Störungen klassifiziert. Sie liegt vor, wenn gleichzeitig die Kriterien einer Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung und die Kriterien einer Störung des Sozialverhaltens (F91) erfüllt sind. Betroffene Kinder und Jugendliche zeigen damit ausgeprägte Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität in Kombination mit dauerhaft normverletzendem, aggressivem oder dissozialem Verhalten, was mit einer hohen funktionellen Beeinträchtigung in Familie, Schule und Peergroup verbunden ist.[1][2]

In neueren Klassifikationssystemen wird dieses Störungsbild nicht mehr als eigene Kategorie geführt, sondern als Komorbidität von ADHS und Störung des Sozialverhaltens beschrieben. Die ICD-11 ordnet ADHS unter 6A05 und die Störungen des Sozialverhaltens unter die Kategorie der disruptiven und dissozialen Verhaltensstörungen (zum Beispiel 6C91 Conduct-dissocial disorder) ein.[3] Im DSM-5-TR wird die Kombination als gleichzeitige Diagnose einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und einer Conduct Disorder bzw. Oppositional Defiant Disorder abgebildet.[4] Klinisch bleibt das Muster jedoch bedeutsam, da die Komorbidität mit besonders ungünstigen Verläufen assoziiert ist.[5]

Einordnung und Klassifikation

In der ICD-10 wird die hyperkinetische Störung mit Störung des Sozialverhaltens als F90.1 definiert. Erforderlich ist, dass sowohl alle Kernsymptome der hyperkinetischen Störung (Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität) als auch die Kriterien einer eigenständigen Störung des Sozialverhaltens (F91) erfüllt sind.[6] Im Unterschied dazu bildet das DSM-5-TR ADHS, Oppositional Defiant Disorder und Conduct Disorder als getrennte Diagnosen ab, deren gleichzeitiges Auftreten ausdrücklich zulässig ist.[7]

Mit Einführung der ICD-11 werden hyperkinetische Störungen nicht mehr als eigene Oberkategorie geführt. ADHS wird unter 6A05 als neuroentwicklungsbedingte Störung beschrieben, während Störungen des Sozialverhaltens als eigenständige Gruppe unter den Störungen mit Störung der Impulskontrolle und des Sozialverhaltens (zum Beispiel 6C90 Oppositional defiant disorder, 6C91 Conduct-dissocial disorder) geführt werden.[8] Fachlich entspricht die frühere F90.1 damit heute in etwa der Kombination aus ADHS und Conduct-dissocial disorder.

Die deutschsprachige S3-Leitlinie zu ADHS fasst in ihrem Anwendungsbereich sowohl die hyperkinetischen Störungen nach ICD-10 als auch ADHD nach DSM-5 zusammen und behandelt komorbide Störungen des Sozialverhaltens als wichtigen Schweregradindikator.[9] Die S3-Leitlinie „Störungen des Sozialverhaltens“ der DGKJP beschreibt umgekehrt ADHS als häufige komorbide Störung, die Diagnostik und Behandlung deutlich beeinflusst.[10]

Ätiologie

Die Hyperkinetische Störung mit Störung des Sozialverhaltens gilt als Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von neurobiologischen Vulnerabilitäten und psychosozialen Risikofaktoren. ADHS weist eine hohe Erblichkeit auf, die auf rund 70 Prozent geschätzt wird, und geht mit Veränderungen fronto-striataler und fronto-parietaler Netzwerke einher, die mit Defiziten in exekutiven Funktionen, Belohnungsverarbeitung und Emotionsregulation verbunden sind.[11][12]

Störungen des Sozialverhaltens zeigen ebenfalls eine signifikante genetische Komponente, weisen jedoch im Mittel stärkere Einflüsse ungünstiger Umweltbedingungen auf. Dazu gehören belastende familiale Konstellationen, feindselig-inkonsistenter Erziehungsstil, Misshandlung oder Vernachlässigung, Armut, instabile Bindungen, deviante Peergroups und Nachbarschaftsbelastungen.[13][14]

Bei der kombinierten Störung deuten Längsschnitt- und Zwillingsstudien darauf hin, dass sich neurobiologische Risikofaktoren für ADHS mit früh auftretenden Verhaltensproblemen, schwierigem Temperament, niedriger Frustrationstoleranz und emotionaler Dysregulation über die Entwicklung hinweg gegenseitig verstärken.[15] Früh auftretende, nicht adäquat adressierte ADHS-Symptome erhöhen die Wahrscheinlichkeit konflikthafter Interaktionen in Familie und Schule, was oppositionelles und aggressives Verhalten begünstigen kann. Umgekehrt erschweren ausgeprägte Verhaltensprobleme den Zugang zu unterstützenden Beziehungen und Interventionen, wodurch sich ein negativer Entwicklungsverlauf stabilisieren kann.[16]

Prävalenz und Verlauf

ADHS weist in epidemiologischen Studien bei Kindern und Jugendlichen weltweit eine Prävalenz von etwa fünf Prozent auf.[17] Störungen des Sozialverhaltens treten in der Allgemeinbevölkerung mit Häufigkeiten zwischen etwa zwei und sechs Prozent auf, abhängig von Alter und verwendeten Kriterien.[18]

In klinischen ADHS-Stichproben findet sich bei einem erheblichen Anteil zusätzlich eine Störung des Sozialverhaltens oder eine Oppositional Defiant Disorder. Je nach Setting und Definition berichten Studien Komorbiditätsraten zwischen etwa 20 und 50 Prozent.[19][20] Kinder mit der kombinierten Störung zeigen im Mittel frühere Erkrankungsanfänge, ausgeprägtere Symptomschwere und mehr Funktionsbeeinträchtigungen als Kinder mit reiner ADHS oder isolierter Störung des Sozialverhaltens.[21]

Der Verlauf ist häufig chronisch. Kinder mit früher hyperkinetischer Symptomatik und zusätzlichen Störungen des Sozialverhaltens haben ein erhöhtes Risiko für späteren Substanzmissbrauch, delinquentes Verhalten, Schulabbrüche, affektive Störungen, Angststörungen und die Entwicklung einer dissozialen Persönlichkeitsstörung im Erwachsenenalter.[22][23] Frühe, leitliniengerechte Interventionen verbessern die Prognose, reduzieren aber das Risiko für spätere Belastungen nicht vollständig.[24]

Klinisches Bild

ADHS-bezogene Symptome

Betroffene Kinder und Jugendliche erfüllen die Kriterien einer hyperkinetischen Störung. Typisch sind anhaltende Unaufmerksamkeit, motorische Unruhe und Impulsivität, die deutlich über altersnormale Schwankungen hinausgehen und in mehreren Lebensbereichen auftreten.[25] Häufig fallen sie durch leichtes Ablenkbarsein, Organisationsprobleme, Vergesslichkeit, Schwierigkeiten bei längerfristigen Aufgaben sowie durch überstürztes Handeln ohne ausreichende Konsequenzabschätzung auf.

Störung des Sozialverhaltens

Zusätzlich liegen über mindestens sechs Monate hinweg wiederkehrende Muster von aggressivem, feindseligem oder deutlich normverletzendem Verhalten vor, die das Ausmaß gewöhnlicher kindlicher Regelverstöße klar überschreiten.[26][27] Dazu gehören unter anderem

  • häufiges Streiten, Tyrannisieren oder Einschüchtern anderer
  • körperliche Aggression gegen Menschen oder Tiere
  • mutwillige Zerstörung oder Beschädigung fremden Eigentums
  • häufiges Lügen, Stehlen, Schuleschwänzen oder Weglaufen von zu Hause
  • Missachtung sozialer Regeln, teils mit geringer Reue oder Empathie
  • Das Verhalten tritt oft in unterschiedlichen Settings auf, etwa in Familie, Schule und Peergroup.

Funktionale Beeinträchtigung

Die Kombination aus ADHS-Symptomen und Störung des Sozialverhaltens führt typischerweise zu massiven Konflikten in Familie und Schule. Häufig bestehen Lern- und Leistungsprobleme, Ausschlüsse aus Kindergarten oder Schule, Probleme mit Jugendhilfe oder Justiz sowie ein erhöhtes Risiko für Unfälle und gesundheitliche Folgeschäden.[28] Beziehungen zu Gleichaltrigen sind oft durch Zurückweisung, Konflikte oder die Orientierung an deviantem Peerverhalten geprägt.

Diagnose

Diagnostische Grundlagen

In Deutschland orientiert sich die Diagnostik an der S3-Leitlinie zu ADHS sowie an der S3-Leitlinie „Störungen des Sozialverhaltens“.[29][30] Die Diagnose beruht auf

  • ausführlicher Anamnese mit mehreren Bezugspersonen
  • Erhebung von Entwicklungs-, Familien-, Schul- und Sozialanamnese
  • strukturierter oder halbstrukturierter klinischer Exploration des Kindes oder Jugendlichen
  • Verhaltensbeobachtung in unterschiedlichen Situationen
  • standardisierten Fragebögen und Ratingverfahren für Eltern, Lehrkräfte und Betroffene
  • somatischer und neurologischer Untersuchung
  • differenzialdiagnostischer Abklärung und systematischer Komorbiditätsdiagnostik

Für die ICD-10 Diagnose F90.1 müssen die Kriterien einer hyperkinetischen Störung (F90.0) sowie die Kriterien einer Störung des Sozialverhaltens (F91) gleichzeitig erfüllt sein. Einzelne oppositionelle oder dissoziale Verhaltensweisen reichen nicht aus. Entscheidend ist ein durchgängiges Muster, das mit deutlicher Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit verbunden ist.[31]

In ICD-11 und DSM-5-TR wird die Kombination als Doppel-Diagnose von ADHS und Conduct Disorder beziehungsweise Oppositional Defiant Disorder vergeben. Die diagnostischen Prinzipien sind jedoch vergleichbar. Wichtig ist die Unterscheidung zu primär situationsabhängigen Reaktionen auf Belastungen, zu depressiven oder bipolaren Störungen, zu Autismus-Spektrum-Störung und zu Intelligenzminderung, da diese Störungsbilder teilweise ähnliche Verhaltensauffälligkeiten zeigen können.[32]

Schweregrade

Die S3-Leitlinie zu Störungen des Sozialverhaltens empfiehlt eine Einstufung nach Schwere und Reichweite der Funktionsbeeinträchtigungen. Berücksichtigt werden

  • Anzahl und Art der Symptome
  • Ausmaß des verursachten Schadens für Betroffene und soziale Umwelt
  • Zahl der betroffenen Lebensbereiche
  • Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren wie komorbide Störungen oder belastende Lebensumstände[33]

Typischerweise wird zwischen leichten, mittelschweren und schweren Ausprägungen unterschieden. Bei schweren Verläufen finden sich häufig massive Aggression, wiederholte Delinquenz oder frühe Anzeichen dissozialer Persönlichkeitsentwicklung.[34]

Die Schweregrade werden in Leitlinien nicht nur symptombezogen, sondern auch funktional verstanden. Entscheidend ist, wie weitreichend das Verhalten Beziehungen, schulische oder berufliche Entwicklung und das Risiko für Eigen- und Fremdgefährdung beeinträchtigt.[35]

Schweregrad Typische Merkmale
Leichte Ausprägung Relativ geringe Anzahl von Symptomen. Die Verhaltensauffälligkeiten treten vorwiegend in einem Lebensbereich auf, etwa nur in der Familie oder nur in der Schule. Der verursachte Schaden ist begrenzt, zum Beispiel wiederholtes Lügen, gelegentliches Schuleschwänzen oder Weglaufen ohne erhebliche Gefährdung. Beziehungen sind angespannt, aber meist noch aufrechterhaltbar. Auf niedrigschwellige Interventionen wie Elternberatung und Schulmaßnahmen zeigt sich häufig eine deutliche Besserung.[36]
Mittelschwere Ausprägung Die Zahl der Symptome ist höher und das Verhalten betrifft mehrere Lebensbereiche, etwa Familie, Schule und Peers. Es liegen Verhaltensweisen vor, die zu relevanten Schäden führen, zum Beispiel Vandalismus, Stehlen ohne direkte Konfrontation oder wiederholtes Mobbing ohne schwere körperliche Verletzungen. Konflikte mit Schule, Jugendhilfe oder justiziellen Institutionen nehmen zu und die Leistungsentwicklung ist deutlich gefährdet. Es besteht ein erhöhtes Risiko für komorbide Störungen wie Depression oder Sucht.[37]
Schwere Ausprägung Es liegt eine große Zahl schwerer Symptome vor, die mit erheblichem Schaden für andere und ausgeprägter Funktionseinbuße einhergehen. Typisch sind körperliche Gewalt, wiederholte schwere delinquente Handlungen, Raub, Überfälle, erzwungene sexuelle Handlungen oder Brandstiftungen. Das Verhalten ist meist über viele Kontexte hinweg stabil und beginnt häufig bereits im Kindesalter vor dem zehnten Lebensjahr. Das Risiko für eine spätere dissoziale Persönlichkeitsstörung, Sucht und chronische Delinquenz ist deutlich erhöht.[38][39]

Die Schweregrade haben direkte Konsequenzen für die Therapie. Bei leichten Verläufen können strukturierte Elterntrainings, Beratungsangebote und schulische Maßnahmen ausreichend sein. Mittelschwere Verläufe erfordern in der Regel ein intensiveres multimodales Vorgehen mit Einbezug von Jugendhilfe, Schule und gegebenenfalls individualpsychotherapeutischen Angeboten. Schwere Verläufe machen häufig eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit, den systematischen Einsatz evidenzbasierter Programme und bei ausgeprägter Komorbidität oder Gefährdungslage auch teilstationäre oder stationäre Behandlungssettings notwendig.[40][41]

Komorbidität

Neben der Störung des Sozialverhaltens bestehen häufig weitere komorbide Störungen. Häufig beschrieben sind:

  • affektive Störungen, insbesondere depressive Episoden und Dysthymie
  • Angststörungen

Lern- und Leistungsstörungen

  • Ticstörungen und Störungen der Impulskontrolle

Die Komorbidität verstärkt die Beeinträchtigung und erfordert eine sorgfältige diagnostische Differenzierung und Therapieplanung.[42][43]

Therapie

Leitlinienempfohlenes multimodales Vorgehen

Internationale und deutschsprachige Leitlinien empfehlen für Kinder und Jugendliche mit hyperkinetischer Störung und Störung des Sozialverhaltens ein multimodales Behandlungskonzept. Dieses kombiniert psychoedukative, psychosoziale, psychotherapeutische und gegebenenfalls pharmakologische Interventionen, die individuell an Symptomschwere, Entwicklungsstand und Kontext angepasst werden.[44][45][46]

Zentrale Elemente sind

  • umfassende Psychoedukation für Kind und Familie
  • manualisierte Elterntrainings zur Förderung konsistenter, positiver Erziehung
  • Maßnahmen in Kindergarten oder Schule zur Reduktion belastender Konstellationen und zur Förderung von Ressourcen
  • gegebenenfalls individualpsychotherapeutische Interventionen bei Kind oder Jugendlichen
  • Koordination mit Jugendhilfe, Schule und weiteren Institutionen

Elterntrainings und familienbezogene Interventionen

Für Kinder mit Störungen des Sozialverhaltens und komorbider ADHS gilt verhaltenstherapeutisch ausgerichtetes Elterntraining als Kernintervention mit hoher Evidenz. Manualisierte Programme wie das Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten (THOP), The Incredible Years oder Triple P zeigen signifikante Verbesserungen in elterlicher Erziehungskompetenz und kindlichem Problemverhalten.[47][48]

Die S3-Leitlinie zu Störungen des Sozialverhaltens empfiehlt, Elterntrainings frühzeitig einzusetzen und mit schulischen oder jugendhilflichen Maßnahmen zu kombinieren, da die Störung häufig in mehreren Systemen verankert ist.[49]

Kognitive Verhaltenstherapie und soziale Kompetenztrainings

Bei älteren Kindern und Jugendlichen sind individual- oder gruppenbasierte kognitive Verhaltenstherapie, Problemlösetrainings und Trainings sozialer Kompetenzen angezeigt. Sie fokussieren unter anderem auf:

  • Erkennen und Verändern feindseliger Attributionsmuster
  • Impulskontrolle und Emotionsregulation
  • Aufbau prosozialer Problemlösestrategien
  • Umgang mit Peer-Konflikten und Gruppendruck

Randomisierte Studien berichten für solche Programme kleine bis mittlere Effektstärken auf aggressive und dissoziale Verhaltensweisen, insbesondere wenn sie mit Eltern- und schulbezogenen Maßnahmen kombiniert werden.[50]

Pharmakotherapie

Die Pharmakotherapie richtet sich primär an die ADHS-Symptomatik. Nach internationalen und deutschen Leitlinien kommen bei ausgeprägter Symptomatik vor allem Methylphenidat und andere Stimulanzien sowie nicht stimulierende Medikamente wie Atomoxetin oder Guanfacin in Betracht.[51][52]

Bei Kindern und Jugendlichen mit zusätzlicher Störung des Sozialverhaltens wird empfohlen, zunächst psychosoziale und psychotherapeutische Interventionen konsequent auszuschöpfen. Eine medikamentöse Behandlung der ADHS kann dennoch sinnvoll sein, da eine Verbesserung von Unaufmerksamkeit und Impulsivität die Umsetzung lern- und verhaltenstherapeutischer Maßnahmen erleichtert und sekundär auch oppositionelles Verhalten reduzieren kann.[53]

Für schwere, anders nicht beherrschbare Aggressivität bei Störungen des Sozialverhaltens liegen begrenzte Evidenzen für den Einsatz atypischer Antipsychotika, insbesondere Risperidon, vor. Die S3-Leitlinie zu Störungen des Sozialverhaltens empfiehlt diese Option wegen relevanter Nebenwirkungen nur bei schwerer Ausprägung und nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung sowie in Kombination mit psychosozialen Maßnahmen.[54][55]

Stationäre und teilstationäre Behandlung

Bei sehr schwerer Symptomatik, akuter Eigen- oder Fremdgefährdung, massiven familiären Belastungen oder multiplen komorbiden Störungen kann eine stationäre oder teilstationäre Behandlung in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtung angezeigt sein. Leitlinien betonen die Notwendigkeit eines klar strukturierten milieutherapeutischen Rahmens, der die verschiedenen Hilfesysteme koordiniert und eine abgestufte Reintegration in Schule, Ausbildung und Familie anstrebt.[56]

Prognose

Kinder und Jugendliche mit hyperkinetischer Störung und Störung des Sozialverhaltens haben im Vergleich zu Betroffenen mit reiner ADHS ein deutlich erhöhtes Risiko für einen ungünstigen Langzeitverlauf. Langzeitstudien zeigen erhöhte Raten von Schulabbrüchen, Arbeitslosigkeit, instabilen Beziehungen, delinquenter Entwicklung, Substanzabhängigkeiten und affektiven Störungen im Erwachsenenalter.[57][58]

Frühe Diagnose, leitliniengerechte multimodale Behandlung und die Reduktion psychosozialer Risikofaktoren können die Prognose deutlich verbessern. Besonders bedeutsam sind eine frühzeitige und konsequente Elternarbeit, die Stabilisierung schulischer Bedingungen sowie der Aufbau prosozialer Peer-Beziehungen.[59][60]

Siehe auch

ADHS und Gewaltbereitschaft

Weitere interessante Artikel

Einzelnachweise

  1. Banaschewski, T., et al. (2020). Attention-deficit/hyperactivity disorder (ADHD) in children, adolescents and adults. S3 Guideline of the German Society for Child and Adolescent Psychiatry, Psychosomatics and Psychotherapy (DGKJP). GMS German Medical Science. https://doi.org/10.3205/000281
  2. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. (2018). S3-Leitlinie Störungen des Sozialverhaltens bei Kindern und Jugendlichen (AWMF-Registernr. 028-020). Langfassung. https://register.awmf.org
  3. World Health Organization. (2022). ICD-11 clinical descriptions and diagnostic requirements for mental and behavioural disorders. Author. https://icd.who.int
  4. American Psychiatric Association. (2022). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5th ed., text rev.). Author.
  5. Beauchaine, T. P., & Hinshaw, S. P. (2010). The Oxford handbook of externalizing spectrum disorders. Oxford University Press. https://doi.org/10.1093/oxfordhb/9780199324675.001.0001
  6. Dilling, H., Mombour, W., & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2015). Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien (10. Aufl.). Hogrefe.
  7. American Psychiatric Association. (2022). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5th ed., text rev.). Author.
  8. World Health Organization. (2022). ICD-11 clinical descriptions and diagnostic requirements for mental and behavioural disorders. Author. https://icd.who.int
  9. Banaschewski, T., et al. (2020). Attention-deficit/hyperactivity disorder (ADHD) in children, adolescents and adults. S3 Guideline of the DGKJP. GMS German Medical Science. https://doi.org/10.3205/000281
  10. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. (2018). S3-Leitlinie Störungen des Sozialverhaltens bei Kindern und Jugendlichen (AWMF-Registernr. 028-020). Langfassung. https://register.awmf.org
  11. Faraone, S. V., & Larsson, H. (2019). Genetics of attention deficit hyperactivity disorder. Molecular Psychiatry, 24(4), 562–575. https://doi.org/10.1038/s41380-018-0070-0
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  14. Remschmidt, H., & Becker, K. (2018). Störungen des Sozialverhaltens. In H. Remschmidt & M. Schmidt (Hrsg.), Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (6. Aufl.). Thieme. https://doi.org/10.1055/b-006-163294
  15. Beauchaine, T. P., & McNulty, T. (2013). Comorbidities and continuities as ontogenic processes. Journal of Abnormal Psychology, 122(3), 753–767. https://doi.org/10.1037/a0032391
  16. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. (2018). S3-Leitlinie Störungen des Sozialverhaltens bei Kindern und Jugendlichen. https://register.awmf.org
  17. Polanczyk, G. V., et al. (2014). ADHD prevalence estimates across three decades. International Journal of Epidemiology, 43(2), 434–442. https://doi.org/10.1093/ije/dyt261
  18. Canino, G., et al. (2010). Psychiatric disorders in Puerto Rican children. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 51(1), 64–73. https://doi.org/10.1111/j.1469-7610.2009.02161.x
  19. Beauchaine, T. P., & Hinshaw, S. P. (2010). The Oxford handbook of externalizing spectrum disorders. Oxford University Press. https://doi.org/10.1093/oxfordhb/9780199324675.001.0001
  20. Gnanavel, S., Sharma, P., Kaushal, P., & Hussain, S. (2019). Attention deficit hyperactivity disorder and comorbidity. Journal of Family Medicine and Primary Care, 8(10), 3175–3181. https://doi.org/10.4103/jfmpc.jfmpc_373_19
  21. Biederman, J., et al. (2008). The long-term longitudinal course of oppositional defiant disorder and conduct disorder in ADHD boys. Psychological Medicine, 38(7), 1027–1036. https://doi.org/10.1017/S0033291707002668
  22. Loeber, R., et al. (2000). Oppositional defiant and conduct disorder. Clinical Child and Family Psychology Review, 3(1), 37–60. https://doi.org/10.1023/A:1009519213505
  23. Biederman, J., et al. (2006). Young adult outcome of attention deficit hyperactivity disorder. Psychological Medicine, 36(2), 167–179. https://doi.org/10.1017/S0033291705006410
  24. National Institute for Health and Care Excellence. (2018). Attention deficit hyperactivity disorder: Diagnosis and management (NICE Guideline NG87). Author. https://www.nice.org.uk/guidance/ng87
  25. Banaschewski, T., et al. (2020). Attention-deficit/hyperactivity disorder (ADHD) in children, adolescents and adults. GMS German Medical Science. https://doi.org/10.3205/000281
  26. Remschmidt, H., & Becker, K. (2018). Störungen des Sozialverhaltens. In H. Remschmidt & M. Schmidt (Hrsg.), Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. Thieme. https://doi.org/10.1055/b-006-163294
  27. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. (2018). S3-Leitlinie Störungen des Sozialverhaltens bei Kindern und Jugendlichen. https://register.awmf.org
  28. Loeber, R., Burke, J. D., & Pardini, D. A. (2009). Perspectives on oppositional defiant disorder, conduct disorder and psychopathic features. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 50(1–2), 133–142. https://doi.org/10.1111/j.1469-7610.2008.02011.x
  29. Banaschewski, T., et al. (2020). Attention-deficit/hyperactivity disorder (ADHD) in children, adolescents and adults. GMS German Medical Science. https://doi.org/10.3205/000281
  30. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. (2018). S3-Leitlinie Störungen des Sozialverhaltens bei Kindern und Jugendlichen. https://register.awmf.org
  31. Dilling, H., Mombour, W., & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2015). Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien. Hogrefe.
  32. National Institute for Health and Care Excellence. (2013). Antisocial behaviour and conduct disorders in children and young people (NICE Guideline CG158). Author. https://www.nice.org.uk/guidance/cg158
  33. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. (2018). S3-Leitlinie Störungen des Sozialverhaltens bei Kindern und Jugendlichen. AWMF-Registernummer 028-020. https://register.awmf.org
  34. Loeber, R., Burke, J. D., & Pardini, D. A. (2009). Perspectives on oppositional defiant disorder, conduct disorder and psychopathic features. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 50(1–2), 133–142. https://doi.org/10.1111/j.1469-7610.2008.02011.x
  35. National Institute for Health and Care Excellence. (2013). Antisocial behaviour and conduct disorders in children and young people: Recognition and management (NICE Guideline CG158). National Institute for Health and Care Excellence. https://www.nice.org.uk/guidance/cg158
  36. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. (2018). S3-Leitlinie Störungen des Sozialverhaltens bei Kindern und Jugendlichen. AWMF-Registernummer 028-020. https://register.awmf.org
  37. Loeber, R., Burke, J. D., & Pardini, D. A. (2009). Perspectives on oppositional defiant disorder, conduct disorder and psychopathic features. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 50(1–2), 133–142. https://doi.org/10.1111/j.1469-7610.2008.02011.x
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  46. National Institute for Health and Care Excellence. (2013). Antisocial behaviour and conduct disorders in children and young people (NICE Guideline CG158). Author. https://www.nice.org.uk/guidance/cg158
  47. Döpfner, M., Schürmann, S., & Frölich, J. (2015). Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten (THOP) (5. Aufl.). Hogrefe.
  48. Leijten, P., et al. (2019). Meta-analyses of the effects of parenting interventions on child externalizing behaviour. Clinical Child and Family Psychology Review, 22(3), 317–336. https://doi.org/10.1007/s10567-019-00294-x
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  50. McCart, M. R., Priester, P. E., Davies, W. H., & Azen, R. (2006). Differential effectiveness of behavioral parent-training and cognitive-behavioral therapy for antisocial youth. Journal of Abnormal Child Psychology, 34(4), 525–541. https://doi.org/10.1007/s10802-006-9031-1
  51. Banaschewski, T., et al. (2020). Attention-deficit/hyperactivity disorder (ADHD) in children, adolescents and adults. GMS German Medical Science. https://doi.org/10.3205/000281
  52. National Institute for Health and Care Excellence. (2018). Attention deficit hyperactivity disorder: Diagnosis and management (NICE Guideline NG87). Author. https://www.nice.org.uk/guidance/ng87
  53. Jensen, P. S., et al. (2001). Findings from the NIMH Multimodal Treatment Study of ADHD. Archives of General Psychiatry, 58(11), 1073–1080. https://doi.org/10.1001/archpsyc.58.11.1073
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